Ich habe das Schreiben eines Kollegen auf dem Tisch, der ganz offensichtlich auf diesem Rechtsgebiet üblicherweise nicht tätig ist. Das Schreiben strotzt von Aussagen, die leider durch Rechtsprechung bei Weitem überholt sind. Damit wird noch nicht mal mehr ein Blumentopf gewonnen. Der Mandant des Kollegen tut mir fast schon leid oder handelt es sich hier um einen Spezel, für den man mal kurz ein Schreiben formuliert hat, auch wenn man davon keine Ahnung hat? Wie auch immer, ich empfinde das als respekt- und verantwortungslos gegenüber dem eigenen Mandanten. Ist es ein Zeichen von Schwäche zuzugeben, auf einem Rechtsgebiet nicht tätig werden zu können und ein Mandant abzulehnen?

Nein! Es ist ein Zeichen von Respekt und Verantwortung gegenüber dem Mandanten eindeutig klar zu stellen, dass man in bestimmten Rechtsgebieten nicht tätig ist und den Mandanten bei diesem Problem lieber an einen Kollegen zu verweisen, der sich damit auskennt. Nie käme ich auf die Idee, eine Scheidung zu bearbeiten, eine Strafverteidigung zu übernehmen oder steuerrechtliche Beratung durchzuführen. Ehrliche Geradlinigkeit zu sagen: Das kann ich nicht und deshalb mache ich es nicht. Ich schäme mich nicht, das zu sagen, denn es ist schlichtweg wahr und impliziert, dass ich die Rechtsgebiete, in denen ich arbeite, auch kann. Da bin ich mir sicher, dass ich den Mandanten bestmöglich vertrete, muss mich nicht erst stundenlang einlesen, um dann gegenüber einem Kollegen, der sich in dem Gebiet gut auskennt, trotzdem noch unterlegen zu sein. Es würde mir gar noch schlaflose Nächte bereiten, denn es könnte dabei auch einen Fehler unterlaufen.

Da schlafe ich doch lieber ruhig. Meine Mandanten wissen, dass ich Ihnen lieber einen guten Kollegen empfehle, als in ihren Sachen herumzupfuschen und deshalb fragen sie in der Regel, ob ich Ihnen für ihr Problem einen solchen empfehlen kann. Das freut mich, denn es zeigt, dass Verantwortungsgefühl sehr wohl belohnt wird, mit Vertrauen. Und das uneingeschränkte Vertrauen von Mandanten zu genießen, das sollte Ziel eines jeden Anwalts sein.

Rechtsanwältin Simone Weber, München
www.weber-rechtsanwaeltin.de
 

Es bedeutet immer einen großen Schritt vorwärts auf dem Wege der Menschwerdung, wenn jemand sagen kann: das verstehe ich nicht und das weiß ich nicht und deshalb erlaube ich mir kein Urteil darüber. Die Verlegenheit, die sich gewöhnlich nach einer solchen erstaunlichen Offenheit in der Gesellschaft verbreitet, ist nicht etwa Mitgefühl für den, der das Geständnis gemacht hat, sondern das stille Eingeständnis vor sich selbst, daß man zu solch ehrlicher Gradheit nicht imstande ist. Man schämt sich der engen Grenzen des Reiches, das man beherrscht, und tappt deshalb lieber mit affektierter Sicherheit hilflos auf fremden Gebieten herum.

-Johannes von Müller-