Neuere Urteile September/Oktober 2011

Arbeitsrecht

1. Kraftfahrer, dem aufgrund einer privaten Autofahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,36 Promille Führerschein entzogen wurde, kann gekündigt werden, da Entzug Fahrerlaubnis dazu führt, dass er die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich wird. Hessisches LAG, 01.07.2011,10 Sa 245/11

2. Piloten dürfen nicht bereits mit 60 in den Zwangs-Ruhestand geschickt werden. Das Verbot, in einem darüber liegenden Alter noch fliegen zu dürfen, stellt Laut EuGH eine Diskriminierung wegen des Alters dar. EuGH, Rechtssache C 447-09 v. 13.09.2011

3. Eintragen der Parkplatzsuche als Arbeitszeit kann fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

Die Arbeitszeit beginnt mit dem Betreten des Dienstgebäudes. Erfasst ein Arbeitnehmer schon vor diesem Zutritt die Zeit zur Suche eines Parkplatzes auf dem Firmenparkplatz als Arbeitszeit, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn es sich um eine heimliche und vorsätzliche Täuschung über die Arbeitszeit handelt. BAG, 9.6.2011, 2 AZR 381/10

4. Vererblichkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf die Erben über. Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt der Urlaubsanspruch. Er wandelt sich nicht nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um. BAG, 20.09.2011, 9 AZR 416/10.

Mietrecht

1. § 4 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 HeizkostenVO begründet auch eine Duldungspflicht des Mieters für den Austausch noch funktionstüchtiger Messgeräte durch modernere Systeme. Gem. § 554 Abs. 2 BGB hat der Vermieter einen Anspruch auf Duldung des Einbaus von funkbasierten Kaltwasserzählern. Mieter muss Einbau von funkbasierten Ablesegeräten dulden., BGH,28.9.2011, VIII ZR 326/10 PM Nr. 149

2. Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen

ist dann angemessen im Sinne von § 560 Abs. 4 BGB, wenn sie auf die voraussichtlich tatsächlich entstehenden Kosten im laufenden Abrechnungsjahr abstellt. Grundlage für die Anpassung der Vorauszahlungen ist dabei die letzte Betriebskostenabrechnung. Allerdings kann bei der Anpassung auch eine konkret zu erwartende Entwicklung der künftigen Betriebskosten berücksichtigt werden. Indes besteht kein Raum für einen abstrakten, nicht durch konkret zu erwartende Kostensteigerungen für einzelne Betriebskosten gerechtfertigten „Sicherheitszuschlag“ von 10 %.PM BGH,28.9.,VIII ZR 294/10

3. Wirksame Modernisierungsankündigung nach § 554 Abs. 3 BGB

muss den Mieter nur in die Lage versetzen, sich ein realitätsnahes Bild von den beabsichtigten Maßnahmen zu machen. Deshalb müsse in der Ankündigung nicht jede Einzelheit der beabsichtigten Maßnahmen und jede Auswirkung der Modernisierung genannt sein, BGH, 28.09.2011, VIII ZR 242/10

4. Zur Frage der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei der Abrechnung von Betriebskosten

– hier: Müllgebühren durch den Vermieter . Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß des Vermieters gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit getroffen. Nach diesem Grundsatz ist der Vermieter verpflichtet, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der vom Mieter zu tragenden Nebenkosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen: BGH, 6.6.2011,VIII ZR 340/10, PM 122/11

5. Zulässigkeit einer separat angemieteten Garage unabhängig vom Mietverhältnis.

Die separate Kündigung einer Garage, die Bestandteil des Wohnungsmietverhältnisses ist, also im Mietvertrag aufgeführt wird, ist unzulässig. Bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage spricht eine Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vereinbarungen. Zwar ist im Regelfall anzunehmen, dass Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen, wenn sich die Wohnung und die Garage auf demselben Grundstück befinden. Ist dies aber nicht der Fall und rechtfertigen auch die übrigen Umstände des Falles nicht die Annahme einer rechtlichen Einheit beider Mietverträge, so kann eine Garage auch unabhängig vom Wohnungsmietverhältnis gekündigt werden. BGH, 12.10.2011, VIII ZR 251/10.

Reiserecht

1. Können Ferien nicht so ohne weiteres nachgeholt werden (hier: Urlaub in den Pfingstferien mit einem schulpflichtigen Kind) und erfährt der Urlauber erst sehr kurzfristig davon, dass er nicht reisen kann, ist ein Schadenersatz in Höhe von 50 % des Reisepreises als Ausgleich für die vertane Urlaubszeit angemessen. AG München, 20.10.10, AZ 262 C 20444/10

2. Wer im Internet ein Reisebuchungsportal betreibt, in dem auch fremde Hotelbewertungen publiziert werden, haftet für die Richtigkeit der in den Bewertungen behaupteten Tatsachen. LG Hamburg, 1.9.2011, 327 O 607/10 Familienrecht Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Deutschen Gericht haben bei der Entscheidungen, ob der leibliche, aber nicht rechtliche Vater Umgangsrechte mit seinem Kind haben soll, zu berücksichtigen, ob das Wohl des Kindes einen Umgang mit dem leiblichen Vater erfordert. 15.09.2011, Az.17080/07 Versicherungsrecht Wird bei einem Auto ein Erstschaden auf Gutachtensbasis abgerechnet und ersetzt, die Schäden aber nicht repariert, muss bei einem weiteren Schadensereignis genau vorgetragen werden, welche Schäden neu eingetreten sind.

Nur diese sind zu ersetzten. AG München, 14.4.11, AZ 271 C 10327/10 Sonstiges Das Formular eines Adressbuchverlags ist dann täuschend, wenn es die Begründung einer Entgeltpflicht und die Laufzeit des Vertrages nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lässt. Ein darauf hin geschlossener Vertrag kann daher wirksam angefochten werden. AG München, 7.4.11, AZ 213 C 4124/11, PM 45/11

Rechtsanwältin Simone Weber, München
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